Klavierabend

Werke von Dietrich, Brahms, Schulhoff und Ligeti

Albert Dietrich (1829‑1908) Sechs Klavierstücke op. 6
Johannes Brahms (1833‑1897) Scherzo es‑Moll op. 4
Erwin Schulhoff (1894‑1942) Elf Inventionen für Klavier, Werk 36
György Ligeti (1923‑2006) Auswahl aus: Études pour piano, premier livre

In diesem Programm werden Klavierstücke des romantischen Komponisten Albert Dietrich mit Musik von Johannes Brahms und Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert von Erwin Schulhoff und György Ligeti kombiniert und kontrastiert.

Albert Dietrich, in Meißen geboren, ist heutzutage selten in Konzertprogrammen vertreten. Mancher kennt ihn als Schüler Robert Schumanns und Freund von Johannes Brahms. Neben seiner kompositorischen Tätigkeit war Dietrich als Dirigent tätig. Ab 1855 war er Leiter der Abonnementskonzerte in Bonn und dann ab 1861 fast dreißig Jahre Kapellmeister in Oldenburg.

Die Klavierstücke op. 6 sind in der ersten Hälfte der 1850er Jahre entstanden, als Dietrich bei Robert Schumann in Düsseldorf lebte und dort prägende Jahre verbracht hat. Nicht zuletzt hat er in dieser Zeit Brahms kennengelernt. Dietrich erzählt in seinen „Erinnerungen an Johannes Brahms“ von glücklichen Tagen bei Schumann, der ihn „mit großer Güte" aufgenommen hätte, und von den Freunden als einem „warmen und inniglichen" Kreis. Der liebenswürdige Tonfall seines Berichts passt gut zu dem oft lyrischen und fließenden Charakter der Klavierstücke und ihrer sensiblen Tiefe.

In demselben Band erzählt Dietrich auch die ein oder andere Begebenheit aus seiner Freundschaft mit Brahms und hofft damit, wie er sagt, dessen „Bild zu vervollständigen und zu vertiefen". So sei Brahms „munter, bisweilen auch übermütig, derb und voller toller Einfälle" gewesen. „Wenn er zu mir die Treppe hinaufkam, so geschah es in jugendlichem Ungestüm, mit beiden Fäusten pochte er an die Tür und ohne Antwort abzuwarten stürmte er herein." In dem Konzert kommt Brahms mit dem Scherzo op. 4 zu Wort, auch Anfang der 1850er Jahre geschrieben, aber die Stücke von Dietrich kontrastierend: mit einem Werk, kraftstrotzend und jugendlich unbekümmert, bisweilen geprägt von formalen Schroffheiten, gleichzeitig aber immer wieder scherzend und charmant, auch schwärmerisch.

Schulhoff hat sich nach den Erschütterungen des Ersten Weltkriegs, in dem er als Soldat an verschiedenen Stellen eingesetzt war, intensiv an der Suche nach neuen Wegen in der Kunst beteiligt, sowohl als Pianist als auch als Komponist. Dabei ist er stilistisch ausgesprochen vielseitig gewesen, hat im Laufe seiner Arbeit insbesondere zu rhythmisch betonter Tanzmusik und zum Jazz gefunden. Um 1920 war neben expressionistischen Tendenzen der Dadaismus für ihn bedeutsam. Schulhoff war voll von Rebellion und Absetzung. In den Inventionen aus dem Jahr 1921 spiegelt sich viel von seiner Suche und Gespanntheit in diesen Jahren. Es wirkt, als ob die oft strenge Satztechnik und straffe formale Struktur in diesem Zyklus (was den Bezug zu den Inventionen Bachs im Titel verständlich macht) ein Gerüst für die Freiheiten gewesen ist, die er sich hier kompositorisch genommen hat. So hat er zum Beispiel auf eine Taktstruktur verzichtet und damit in seinen Worten „musikalische Prosa“ geschrieben.

Die Etüden von Ligeti, die den Abschluss des Abends bilden, stellen mit ihrer enormen Kraftentfaltung und Virtuosität einen wichtigen Beitrag zur Gattung der Konzertetüde dar. Dabei wirkt ihre klangliche Erscheinung gleichzeitig kristallin und flexibel. Das liegt nicht zuletzt in Aspekten ihrer strukturellen Anlage begründet: ihrer komplexen Polyrhythmik und dem Verzicht auf ein festes Metrum. Eine der Inspirationsquellen für die Etüden liegt im Werk von Frédéric Chopin mit seinen Konfliktrhythmen und dem Spiel mit Überlagerungen von Tonhöhenverlauf und Schwerpunktbildung.